Doris Liebscher
Der Kultursektor als Resonanzraum
Politische Außenwirkung lässt sich nicht mit dem Lineal messen,
schrieb Ulle anlässlich des 10-jährigen Bestehens des Conne Island.
Ähnlich verhält es sich mit den Reaktionen, hervorgerufen durch die
Schwingungen des Resonanzkörpers Kultursektor im Conne Island. 15 Jahre
Conne Island lassen konstatieren, dass die Erschütterungen immer dann
besonders heftig ausfielen, wenn neue Saiten oder ungewöhnliche Melodien
angestimmt wurden. Und das nicht unbedingt in musikalischer Hinsicht.
Was ist das, der Kultursektor im Conne Island? Ob Konzerte, Parties oder
Diskussionsveranstaltungen: Kultur kann im Conne Island nicht isoliert vom
Sektor Politik betrachtet werden. Beide bedingen sich. Politische Diskurse und
Standpunkte beeinflussen die Auswahl der musikalischen Acts. Statements von
Künstler-Innen oder das Verhalten bestimmter Szenen führen zu
politischen Debatten zum Beispiel um Sexismus, antifaschistische Standards oder
antiamerikanische Statements. Gemäß dem linken Anspruch des Ladens
wird das Kulturelle durch das Politische bestimmt, wenn
KünstlerInnen oder Publikum den selbstgesetzten Minimalkonsens des Ladens
übertreten. Dieser Minimalkonsens wiederum muss ständig aufs Neue
ausgehandelt und nach außen transportiert werden.
Wenn in der Außenwahrnehmung kulturpolitischer Statements und
Entscheidungen des Ladens dann von dem Conne Island die Rede ist, werden
Kultur und Politik oft gar nicht mehr getrennt. Insoweit mögen sich
Binnen- und Außenperspektive unterscheiden.
Der Laden wird als monolithischer Block wahrgenommen - entgegen den
ladeninternen Realitäten, die
durch heterogene Zusammensetzung geprägt sind, so-wohl was die
subkulturelle als auch die politische Verortung der BetreiberInnen und der
NutzerInnen angeht. Tatsächlich ist das Conne Island die Summe der
einzelnen Teile. Als da wären: Erstens die BetreiberInnencrew, die
verschiedene Subkulturen und Generationen repräsentiert, deren politische
Postionen vom unpolitschen Oi!-Veteran bis zum antinationalen Linksradikalen
reichen und die stetig um besagten Minimalkonsens ringt. Dazu kommen
Zweitens all jene, die sich die Struktur des Conne Island für
Politik und Kultur immer wieder zu Eigen gemacht haben, ohne Teil der
BetreiberInnencrew zu werden. Natürlich diskutieren Erstere nicht
im luftleeren Raum und unbeeinflusst von Zweiteren. So bestimmte die
antifaschistische Szene die Zugangskriterien in den Kulturraum Conne Island
im-mer mit. Und politische Gruppen und Einzelpersonen füllen den CEE
IEH-Newsflyer monatlich mit ihrer Sicht auf die Welt. Die Crew aber wird -
zu Recht - nicht müde darauf hinzuweisen: »Nur wo Conne Island
Plenum drunter steht, ist auch Conne Island drin!«
Dieser Zwiespalt stellt neben dem Ringen um die politischen Basics seit jeher
eine Herausforderung für den Laden dar: nicht immer mit einer Stimme
sprechen zu können oder zu wollen, aber doch so wahrgenommen zu werden.
Die verzerrte Außenwahrnehmung liegt dabei in der Natur der Sache: Ohne
einen Resonanzkörper wären die meisten Instrumente viel zu leise. Der
Ton den eine einzelne Gitarrenseite erzeugt wird durch den Resonanzkörper
verstärkt - sonst würden wir kaum etwas hören.
Der akustische Raum in den die kulturpolitische Message gesendet wird, ist
nicht weniger komplex als der Resonanzkörper Conne Island selbst. Und auch
jener schwingt nicht im gesellschaftlichen Vakuum. Die (kultur)politischen
Diskussionen die das Conne Island in den letzten Jahren vom Zaun gebrochen hat,
waren daher immer auch Barometer subkultureller, wie gesellschaftlicher
Zustände und Veränderungen.
Subversionsmodell Popkultur
Anfang der Neunziger machten auch die Wohlfahrtsausschüsse mit ihrer
»Etwas anderes als die Nation«-Tour im Conne Island Station und
legten damit den Grundstein popkultureller Kritik an deutschen Zuständen.
Im Laden und auch in der Stadt. Gemeinsam mit der 1995 einsetzenden
antideutschen Positionierung der Antifas-zene führte das im und um das
Conne Island zu einem positiven Bezug auf das angloamerikanisches Popmodell und
zur Ablehnung vom Konzept Nation im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen.
Auch wenn das Label »antideutsch« als positive Selbstzuschreibung
vorerst auf kleine politische Kreise begrenzt blieb, erwies es sich im Laufe
der Jahre als prägend für die radikale Linke in Leipzig und für
deren überregionale Außenwahrnehmung. Das Conne Island wird dabei
bis heute als Laden der »Antideutschen« gehandelt.
Mitte der Neunziger öffnete sich der Laden auch neuen Musikrichtungen.
Neben Punk und Hardcore bot das Conne Island nun auch Hip Hop, Dub, Reggae, Ska
und »Indipop« an und orientierte sich seit dem an den aktu-ellen
Entwicklungen westlicher Musikkultur. Mit dieser Öffnung einher ging der
Wunsch, nicht nur D.I.Y.-Combos, sondern auch die Stars der jeweiligen
Sparten nach Leipzig zu holen. Mit Biohazard rollte 1994 der erste
Nightliner auf den Hof und die Jungs erhielten eine bis dahin unerhört
hohe Gage. Dafür stieg die überregionale Bekannt- und Beliebtheit des
Ladens als linksalternativ und trotzdem musikalisch up to date.
Die Diskussion um den kulturpolitischen Anspruch des Ladens als unkommerzieller
D.I.Y. Schuppen oder klassischer Kulturbetrieb wurde zugunsten letzteren
entschieden. Die Diskussion um Kommerz, Mainstream und das Einrichten in den
Verhältnissen war eröffnet, wurde am Kneipentisch, in Fanzines und
Zeitschriften ausgetragen und polarisierte insbesondere die Leipziger Punk-,
Hardcore- und Ex-HausbesetzerInnenszene. Das Conne Island wollte mehr als nur
Nische sein und sich auch neuen BesucherInnengruppen öffnen, die keinen
explizit linksalternativen Anspruch vor sich hertrugen. Das nahm nicht nur die
Autorin dem Laden damals übel. Theoretisch plausibel wurde dieser Ansatz
durch die Verabschiedung vom »Subversionsmodell Pop« mit der auch
ladenintern für viele enttäuschenden Erkenntnis, dass die Grenze
zwischen Mainstream und Subkultur nicht existiert. Der Anspruch auf wahre
Gegenkultur und Subversion der Verhältnisse wurde als oberflächliche
Phrase ohne realpolitische Entsprechung entlarvt. Eine Einschätzung die im
Jahr 2006 viele damalige GegnerInnen solch harter Einsichten teilen. Subkultur
wird heute nicht mehr primär als Mittel zur gesellschaftlichen
Veränderung, sondern als kritisch zu hinterfragender Bestandteil von
Gesellschaft begriffen. Mit dieser Einsicht verbunden war seitens des Conne
Island jedoch keine offizielle Verabschiedung von einer antikommerziellen
Grundhaltung. Do It Yourself prägt die Tätigkeiten am Laden
nach wie vor, Preiserhöhungen muss die Crew mit schlechtem Gewissen
gegenüber der eigenen Klientel rechtfertigten und die Diskussion um
Kultursponsoring wird vom Laden mittlerweile ernster genommen also vom
Publikum. Auf das letzte Positionspapier zum Thema Sponsoring eines Konzerts
mit dem Künstler Mocky durch einen Mobilfunkhersteller gab es keine
erbosten Ausverkaufrufe. Ob die pragmatische Haltung der BetreiberInnen zu den
kulturindustriellen Realitäten mittlerweile auf Verständnis
stößt oder Kommerzrufe einfach nur lauter schallen, wenn eine
Preiserhöhung ins Haus steht und damit der eige-ne Geldbeutel angegriffen
wird, bleibt mutmaßlich.
Trotz aller Kritik an den Mythen, die sich um die politische und
gesellschaftskritische Reichweite (sub)kultureller Projekte ranken, sind
Konzerte im Conne Island bis heute in einen solchen subkulturellen Kon-text
eingebettet. Vom Modell Subkultur wurde sich nie wahrnehmbar in der Praxis
verabschiedet. Die Mache-rInnen des Ladens selbst bestehen und rekrutieren aus
subkulturellen Milieus. Und für viele NutzerInnen und BesucherInnen
stellt der Laden weiter eine wichtige subkulturelle Nische dar. Die
überregionale Außenwahrnehmung bleibt bestimmt durch die Adjektive:
selbstverwaltet, subkulturell, links.
Positionierung heißt Politisierung: Antifa!
Trotz aller Einsicht in die Verhältnisse wollte das Conne Island
nie bloßer Lieferant des sich bestverkaufenden kulturellen Opiums sein.
Der Anspruch, den noch verbliebenen Formen kultureller Dissidenz eine Plattform
zu bieten und sie gegebenenfalls zu politisieren, wird auch 2006 noch
vertreten. Zu politisieren heißt, sich zu positionieren. Und
Positionierung hat sich das Conne Island selten gescheut, die zahlreichen
Stellungnahmen, allesamt dokumentiert im CEE IEH-Newsflyer und auf der Webseite
des Projekts bezeugen das. Die offizielle Position »Kein Platz für
Nazis und Rassisten!« bleibt von allen die mit der positivsten und
nachhaltigsten Außenwirkung. Der Spagat zwischen dem Wunsch und der
ökonomischen Notwendigkeit nicht nur Nische zu sein und damit
natürlich auch Rassisten, Sexisten und andere Idioten anzulocken und dem
Anspruch, nicht jede Liedzeile, nicht jedes Interview und nicht jeden
Aufnäher unwidersprochen hinzunehmen, ist dabei nicht immer geglückt.
Ein viel diskutiertes Beispiel ist das Bekenntnis des Ladens zur Skinheadszene.
Durch Oi!- und Streetpunk Konzerte und das von der Szene organisierte
Oi!-The Meeting erhoffte man sich aus der Verbindung von
antifaschistischem Rahmen und der Attraktivität angloamerikansicher
Subkultur positive Effekte, um die Skinheadkultur nicht der Naziszene zu
überlassen. Ein Konzept dass in der Biografie einzelner, nicht
zufällig im Conne Island organisierter Leute aufgegangen ist, den
BetreiberInnen aber oft aus der Hand zu gleiten schien. Der Vorwurf, dass bei
den Anforderungen an political correctnes mit zweierlei Maß
gemessen wird, wenn es um die Verteidigung dieser Subkultur geht, zieht sich
wie ein roter Faden durch die Geschichte des Ladens und ist bis heute
prägend für die Außenwahrnehmung der widersprüchlichen
Kulturpolitik des Conne Island.
Der vorherrschende Antinazikonsens am Laden spiegelte sich auch im politischen
Umgang mit Hardcore-Bands und Szene wieder. Öffentliche Positionierungen
gegen rechte Strömungen in der Szene gab es bereits in den Neunzigern im
Zusammenhang mit Hardcore-Bands wie Earth Crisis und Discipline,
die zwar keine Nazibands sind, aber Nazis und Leute mit »rechtem
Blödsinn im Kopf« anziehen. Ein Konzert mit Discipline wurde
zunächst nicht gemacht, das AJZ Talschock in Chemnitz drängte
man zur Stellungnahme, weil dort Nazis offensiv und ungestört
Hardcore-Konzerte besuchen konnten. Im eigenen Laden wurden BesucherInnen und
PlattendealerInnen mit entsprechendem Merchandise am Körper oder am Stand
zur Rede gestellt. Die Szene wurde von Conne Island Leuten aus der Szene
angesprochen und ermutigt, sich gegen rechte Einflüsse zu positionieren.
Das wirkte authentisch und blieb nicht wirkungslos. Die Diskussionen
stärkten den Ruf als explizit antifaschistischen Laden. Die Kampagne
»Good Night White Pride« ist ein gutes Beispiel, wie man Einfluss
auf eine Subkultur nehmen kann und wird bis heute mit dem Laden verbunden.
PC ist geil! klang in diesem Zusammenhang noch geil. Spaß,
Coolness und political correctnes mussten sich also nicht ausschließen.
Allerdings nur solange es um Antifa ging. Bei anderen Themen und anderen
Szenen, sah das schon ganz anders aus und entsprechend hielt sich auch der
Laden zurück.
Subkultur als Männerdomäne
Die Kritik an sexistischen Texten und Mackergehabe musste meist erst von
außen ans Conne Island herangetragen werden und Konsequenzen waren
ungleich schwerer durchzusetzen als antifaschistische Standards.
»Korrekt sein« galt in diesem Zusammenhang nicht mehr als cool,
sondern war lustfeindlich. Und so macht sich die personelle Zusammensetzung des
Ladens, bis heute geprägt von einer engen Bindung zu männlich
dominierten Musiksparten wie Punk, Oi! und Hardcore, bemerkbar, wenn es ums
Positionieren und ums Kleinreden von Widersprüchen geht. Die sonst so
trefflich ankommende Coolness schlägt in Hypersensibilität um, wenn
es um die eigene Lieblings-Haudrauf-Subkultur geht. Außerdem
»leben wir nicht in einer heilen kleinen Welt« und die
unliebsamen Realitäten lassen sich nun mal nicht wegsperren indem man sie
nicht einlädt oder nicht reinlässt. So die gängigsten
Argumentationsmuster aus Conne Island Plenum und Freundeskreis.
»Rebellion ist erst mal immer gut« hieß es in einer
frühen Stellungnahme zur Verteidigung von Streetpunk- und Oi!-Konzerten in
deren Umfeld es immer wieder auch zu Pöbeleien und Gewalt, gegen alles was
als »Hippie« identifiziert wurde, kam. Und solcherart
Verklärung männlich konnotierter Gewalt als per se
widerständigerem Element im Reigen der Subkulturen schwingt bis heute mit.
Welchen Inhalt diese Rebellion hat, wird viel zu selten hinterfragt. Und was an
der Konstruktion eines »kleine heile Welt«-Kiezes spießiger
sein soll, als am wild pogenden Skin oder Punk, dessen Freundin am Rand steht
und seine Jacke hält, erschloss sich selbst vielen SympatisantInnen des
Ladens nie.
Rebellisch, kritisch auf jeden Fall unangepasst zu sein, nimmt fast jede Szene
gern für sich in Anspruch. Die Öffnung gegenüber neuen
Musiksparten war daher immer auch verbunden mit einem gewissen Konkurrenz-kampf
der ProtagonistInnen um Support und Anerkennung. Und mit unterschiedlicher
Prämissensetzung des Conne Island.
Das weltweit stattfindende Ladyfest bemüht sich durch den
plakativen Support weiblicher Aktivitäten in der Kunst- und Musikwelt,
bestehende, männlich dominierte Strukturen zu unterlaufen. Männer
sind willkommen, im Publikum, als Mitorganisatoren und auf der Bühne,
sofern sie sich mit dem Ansatz emanzipatorischen Feminismus identifizieren
können. Im Conne Island traf solch feministisches Engagement zunächst
auf Unverständnis und Widerstand. Die Ladyfest-Crew wurde aufgefordert,
erst mal die angeblich durch das Festival geförderte
»Geschlechterseparation« zu erklären. »Denkt ihr
etwa, ihr könnt mit so ein bisschen Ladyfest die Verhältnisse
ändern? Und wenn ihr explizit Frauen auf die Bühne stellt, bezieht
ihr Euch nicht positiv auf das, was ihr eigentlich dekonstruieren und
kritisieren wollt, das (weibliche) Geschlecht? Betreibt ihr damit nicht selber
Identitätspolitik?« So lauteten ein ums andere Mal die
vorwurfsvollen Fragen. Diese wurden meist zusammen mit der Sorge geäußert, Frauen würden sich aus gemischten subkulturellen bzw.
politischen Strukturen rausziehen und separieren. Außerdem ließe
sich das Patriarchat nicht so einfach wegkonstruieren, schließlich gelte
es das »abstrakte Prinzip moderner Herrschaft« als Ganzes zu
überwinden. Den OrganisatorInnen des Ladyfests mussten solche Positionen
mindestens ignorant erscheinen. Sch-ließlich war ihnen sehr bewusst, dass
das weibliche Subjekt ein Produkt dessen ist, was ihm das Leben schwer macht
und deshalb gleichzeitig gestärkt und kritisiert werden muss. Diese
Zwickmühle gerinnt zum antifeministischen Argument, wenn verlangt wird,
dass Frauen diesen Widerspruch erst mal lösen müssen, ehe sie handeln
sollten.
Angesichts der realen Verhältnissen im subkulturellen Milieu und damit
auch im Conne Island selbst, wo Frauen auf und hinter der Bühne noch lange
nicht gleichberechtigt repräsentiert sind, hätte man sich mehr
Unterstützung gewünscht. Und vielen mit dem Laden sympathisierenden
Menschen aus feministischen und queeren Zusammenhängen drängte sich
die empörte Frage auf, warum sich bislang keine der fast durchweg
männlichen Punk/Oi!/Rock'n'Roll und HipHop- Bands hinsichtlich ihrer
Zusammensetzung hatte rechtfertigen müssen.
Was bleibt? Zwei Ladyfeste fanden bisher im Conne Island statt und gingen
für OrganisatorInnen und Laden als voller Erfolg durch. Für die
überregionale Außenwirkung mag das nicht von gleicher Relevanz
gewesen sein, wie die Diskussion um das Palituchverbot. Und auch der Vorwurf
muss erst noch entkräftet werden, das Conne Island versichere sich mit dem
Feigenblatt Ladyfest nur politischer Korrektheit, ohne sexistische Strukturen
im Laden und auf der Konzertbühne konsequent und kontinuierlich zu
thematisieren. Der Einladung, sich an der Vorbereitung des Ladyfest zu
beteiligen, kamen jedenfalls nur wenige und fast ausschließlich Frauen
nach, Skepsis oder einfach Desinteresse der Conne Island Crew überwogen.
Für die Öffnung des Ladens gegenüber anderen als männlich
dominierten Musiksparten und Szenen und für viele BesucherInnen und
KünstlerInnen waren solche Konzerte und Parties jedoch ein wichtiger
Schritt.
Sexismus und Homophobie lauteten auch die Stichworte bei der Diskussion um Hip
Hop-Acts im Laden. An Kool Savas entzündeten sich exemplarisch die
Geister. Der Rapper war vor allem in der Vergangenheit wegen seiner aggressiv
und vulgär daherkommenden, vor Schwulenfeindlichkeit und Sexismus
strotzenden Texte bekannt geworden und wollte sich von seinen alten Lyrics
nicht mit einem klaren Statement verabschieden. Da Kool Savas gerade zum
Superact der Hip Hop-Szene avancierte, bedurfte es einer Entscheidung. Die
Angst, einen Maßstab zu etablieren, der nur von den wenigsten HipHop Acts
eingehalten würde und damit den Auftritt angesagter HipHop
Größen zukünftig zu verunmöglichen, musste mit dem nicht
von der Hand zuweisenden Vorwurf des Sexismus abgewogen werden. Und das bei der
ökonomischen Notwendigkeit, kulturelle Trends auch zu bedienen. Die
kulturpolitischen Argumente für einen Auftritt ähnelten daher nicht
von ungefähr der Diskussion um diverse Oi!-Konzerte. Uneigentliches
Sprechen als künstlerisches Konzept? Sensibilisierung der Hip Hop-Szene
durch Anbindung? Das hatte man sich doch schon bei der Diskussion um die
Lokalmatadore anhören müssen, die auch vorgaben, die Sprache der
Straße nur aufzunehmen und zu parodieren. Doch was, wenn dieses Konzept
gar nicht als Ironie verstanden wird, sondern gesellschaftliche Realitäten
wie Rollenklischees, Sexismus und Homophobie einfach einen fetten Beat
unterlegt und diese damit noch überhöht. Interven-tionen von
außen und die im Plenum und CEE IEH ausgetragenen Diskussionen
stärkten die Position jener im Laden, die sich gegen einen Auftritt
aussprachen. Kool Savas wurde nicht gemacht.
Was bleibt? Zukünftige Gradwanderungen und schwierige Entscheidungen. Ob
bei Hip Hop, Reggae oder anderen Konzerten. Und die Erkenntnis, dass der
selbstgestellte Anspruch nicht nur antifaschistisch, sondern auch
antisexistisch zu handeln, bei denen da draußen angekommen ist und als
solcher auch eingeklagt wird.
Pop ist nie national. Und schon gar nicht deutsch
Schon die offizielle Verabschiedung vom Modell »subversive
Popkultur« wurde nicht von allen sich als alterna-tiv verstehenden
KulturmacherInnen getragen. So hält die Leipziger Pop Up-Messe
weiter an einem eigenartigen Independentmythos fest und negiert standhaft die
Vereinnahmung und Entpolitisierung der Independentszene. Auf diese
Widersprüche angesprochen und eine Teilnahme am Festival ablehnend wurde
dem Conne Island vorgeworfen, elitär und abgehoben zu sein. Nicht in den
Sinn kam den Messe-MacherInnen leider, diese Problematik in das
Selbstverständnis der Pop Up einzubeziehen. »Wenn ihr denkt, dass
ist wichtig, dann macht's doch!« lautete die Ansage. Als das Conne
Island ablehnte, das inhaltliche Feigenblatt zu spielen und mit einer eigenen
Veranstaltung die Pop Up als coole Undergroundmesse, auf der man über
alles mal reden kann, aufzuwerten, wurde das als Spielverderberei und Spalterei
bewehrtet. Öffentlich geäußert sucht man solche Kritik
allerdings vergebens, der Vorwurf der selbstgefälligen, verkopften und
intoleranten Elite spinnt derweil weiter seine Mythen.
Die wirkungsvollsten Mythen gegen Versuche, Kultur politisch zu reflektieren
und zu veranstalten, sind folgende: Die Betreffenden leiden unter
Realitätsverlust, sind abgehoben, humorlos und unentspannt.
Solche Vorwürfe richten sich gegen das Conne Island aus ganz
unterschiedlicher Richtung seit der Laden antinationale Positionierungen im
Zusammenhang mit dem Hype der neuen deutschen Popkultur stark macht. Zwar
wurden schon früher Bands hervorgehoben, die sich prononciert gegen
Deutschpop-Quoten aussprachen. Aber erst mit dem öffentlichkeitswirksamen
Nein! zur geballten deutschen Popkulturoffensive, festzumachen an der
Ausladung der Band Mia, wurde der Vorwurf laut, das Conne Island und
die Samplergruppe »I Can't Relax in Deutschland«, deren Projekt
in einem Atemzug mit dem Conne Island genannt wird, seien elitäre
Spaßbremsen. Spätestens wenn die auf dem Sampler vereinten Bands
dann im Conne Island aufspielen, sind auch die resistentesten GegnerInnen von
ein bisschen Reflexion gesellschaftlicher Zustände wieder versöhnt
und das Conne Island ist für einen Abend wieder der spaßigste und
stylischste Laden der Stadt.
Bei der eigentlichen, auch überregionalen Zielgruppe des Ladens kam die
Analyse, Pop sei nie national und schon gar nicht deutsch, richtig gut an,
nicht zuletzt durch die bundesweiten Diskussions- und Konzertveranstaltungen
der umtriebigen und sympathischen Samplergruppe. Teil der Kulturindustrie zu
sein und trotzdem die eigenen politischen Standards stark machen - beim Thema
»Pop ist da, wo keine Heimat ist«, hat der Laden vorgemacht, wie
so was gehen kann.
Antiamerikanismus und Antisemitismus
Schwieriger wurde die Gradwanderung beim Thema Antiamerikanismus und
Antisemitismus, als am »lin-ken« Selbstverständnis der
eigenen treuen Klientel ordentlich gerüttelt wurde. Bei Bands die statt
»Nie wieder Deutschland« »Fuck Bush« rufen, wird
das Punkrockpublikum zum Mainstream und in diesem Sinne ganz politisch.
Spätestens hier machte sich der Laden mit seinen Stellungnahmen und
Konzertabsagen auch bei vielen Linken, die auf Mia scheißen unbeliebt.
Die Diskussion um die Band Propaghandi, die auf ihrer ersten Platte
»Fuck Zionism« sang, sich dann distanzierten und an einer
differenzierten Betrachtungsweise des israelisch-palästinensischen
Konflikts Interesse zeigten, war für die Conne Island-Crew Anlass,
antisemitische und antiamerikanische Einstellungen in der deutschen Punkszene
zu kritisieren. Die Band durfte spielen, dem Publikum wurde die Position des
Ladens am Eingang überreicht.
Nicht spielen durfte die Slime-Nachfolgeband Rubberslime wegen der
Neuauflage ihres uralt Smashhits »Yankees Raus«. Das erschien
vielen, die im Conne Island »einen erheblichen Teil ihrer ewigen
Jugend« verbracht hatten, dann wirklich zu viel. Der wichtigsten
deutschen Punkband Antiamerikanismus zu unterstellen, das ging zu weit und
kratzte an eigenen Positionen. Dabei hatte doch selbst ein Ex-Bandmitglied
darauf hingewiesen, das die Neuauflage des Songs daneben sei.
Diejenigen die inbrünstig »Yankees raus« und »Free
Palestine« mitgrölten, hörten aber in der Regel nicht mehr
hin, wenn ihnen erklärt wurde, dass Pop seine Potenz gerade auch im
melting pot Amerikas erhalten hatte und nicht durch den positiven Bezug
auf reine Völker und Kulturen, und dass es im übrigen genug
Scheiße in Deutschland zu bekämpfen gäbe. Den Vorwurf des
Antiamerikanismus oder Antisemitismus wollten die meisten schon gar nicht auf
sich sitzen lassen. Vermeintlich linke Gewissheiten großer Teile des sich
politisch auf der richtigen Seite dünkenden Publikums umwerfen, damit
macht sich niemand FreundInnen.
Schnell wurde der Vorwurf der Zensur laut. Ein Vorwurf der nicht haltbar ist,
nicht nur angesichts der zahlreichen Erklärungen des Ladens zur
Erläuterung der getroffenen Entscheidungen. Schließlich gehört
es zum Alltag von KonzertveranstalterInnen, eine Auswahl aus zahlreichen
Angeboten zu treffen. Nach Kriterien wie musikalischem Geschmack, aber eben
auch nach inhaltlichen Vorlieben oder Abneigungen. Diskussionen, ob und warum
bestimmte Bands spielen oder nicht, werden in der Regel nicht nach außen
getragen. Wenn Entscheidungen dann transparent gemacht werden, kann daraus kein
Zensurvorwurf entstehen. Nicht unerwähnt bleiben soll in diesem
Zusammenhang eine Stilblüte, die sich ein Musikredakteuer der Zeitschrift
leistete, der auf die Ausladung von Rubberslime hin, nicht nur laut
»Zensur!« und »Antisemitismuskeule!« schrie,
sondern CEE IEH-Newsflyer und Conne Island in eins setzte und mit der
Vermutung, die Abkürzung C.I. sei in koketter Anlehnung an den
amerikanischen Geheimdienst C.I.A. gewählt, dem ganzen die Krone auf.
Der Antifakonsens bröckelte in Folge dieser Auseinandersetzungen schnell,
das Conne Island war plötzlich nicht mehr cool, sondern in der Hand der
»Radi
kalantinationalisten«. In punkto Antifaschismus war es leichter
gegenkulturelle Konzepte zu präsentieren und Nazis kulturell das Wasser
abzugraben, als bei Themen wie Sexismus und Antisemitismus. Insofern standen
wohl alle Versuche unter einem schlechten Stern, die eigene, auch ladenintern
nicht unumkämpfte Position einer breiteren Masse, als den in die engere
Ladenstruktur eingebunden Leuten, zu vermitteln. Dazu kam das Problem, dass
einer amerikanischen Band natürlich zugebilligt werden sollte, den eigenen
Präsidenten zu beschimpfen, die Mehrheit des Publikums von Kritik an
Deutschland dagegen immer weniger hören wollte.
Die Reaktionen des Plenums kamen mitunter entsprechend hilflos daher. Weil
anscheinend niemand die schriftlichen Stellungnahmen lesen wollte, und bei
antiamerikanischen Statements aus dem Publikum schlecht ganze Konzerte
abgebrochen werden konnten, musste das Palituch als Symbol für
»Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand«
herhalten. Das durchaus hehre Ansinnen des Ladens war es, »die zum Teil
von jüngeren Leuten unreflektierte Übernahme von Symbolen wie
Palitüchern anzugreifen und dies in einer Form, die einer
Auseinandersetzung dienlich ist«. Dazu sollten die Leute am Einlass
aufgeordert werden das Tuch abzunehmen und im Gespräch über ein
gereichtes Aufklärungsflugblatt vermittelt bekommen, was das Problem sei.
Gerüchte ranken sich seit dem um die unterschiedlich ausgeprägte
inhaltliche und didaktische Kompetenz der jeweiligen EinlasserInnen bei der
Vermittlung des Ziels. Das Ergebnis solch höchst persönlicher
Auseinandersetzungen wurde schließlich nicht selten zum
Szenegespräch. Die lapidare Antwort, da werde nicht diskutiert, ist
jedenfalls gemessen am eigenen Anspruch zu sensibilisieren zu wenig! Klar ist,
in der externen Diskussion wurde das Verbot als lächerlich oder als krasse
Indoktrination wahrgenommen, nicht nur, aber gerade von Leuten, die sich bis
dato wenig mit dem Nahostkonflikt und Antisemitismus beschäftigt hatten,
der eigentlichen Zielgruppe also.
Dass der Laden immer noch einen Ruf als überregionale bedeutende linke
Bastion genießt, die nicht nur gegen Faschoangriffe sondern auch gegen
staatliche Intervention verteidigt werden muss, zeigte sich beim versuchten
Zugriff des Finanzamt Leipzig II. Zwar freuten sich einige Stimmen, dass der
antideutsche Spinnerladen jetzt endlich dicht machen müsste, doch die
Solidarität überwog noch einmal. Immerhin entstand innerhalb von zwei
Wochen die Kampagne »Mein Island - Hände weg vom Conne
Island«. Über tausend Leute demonstrierten für den Erhalt des
Ladens, Solidaritätsbekundungen gingen ein, Sprüche und Transparente
tauchten in der ganzen Stadt auf und der Weihnachtsmarktbaum machte solidarisch
die Lichter aus.
Standards setzen und vermitteln
Eine immer wieder gegenüber dem Laden geäußerte Kritik
ist, die jeweils eigenen kulturpolitischen Prämissen und Positionen
würden als allgemeingültig vorausgesetzt und andere Positionen
pauschal und nicht selten arrogant zurückgewiesen oder belächelt. Das
klingt, als hätte der Laden ein klassisches Kommunikations- oder
Stilproblem. Offensiv und schnoddrig, die Tocotronic-Klientel
beschimpfend, gegen Deutschland sein und sich auf charmante Weise von den
Hauptsache unkommerziell Läden dieser Stadt abzuheben. Das kommt oft
verdammt cool an und hat für viele wesentlich dazu beigetragen, das Conne
Island zum angenehmen Aufenthaltsort zu machen. Manchmal geht es aber eben auch
zu weit und damit daneben. Tatsächlich ist der Diskussionsstil nicht immer
sachlich und die Wortwahl der Stellungnahmen nicht Jeder und Jedem
verständlich. Nicht immer geht es darum kritisch miteinander umzugehen,
sondern Positionen festzuklopfen und der/dem Gegenüber im Zweifelsfall
vorzuwerfen, es gäbe nun mal keine Nische. Oftmals sind es die arrogante
Art, polemische Überspitzungen, verkürzte Argumentationen, falsche
oder nicht belegte Behauptungen Einzelner, die negativ auf Laden abfärben
und für die das Projekt mitunter auch zu Unrecht haftbar gemacht wurde.
Aber so ist das nun mal mit der Summe der einzelnen Teile. Erschwerend kommt
hinzu, dass das CEE IEH von Vielen als das Zentralorgan des Conne Island
rezipiert wird, auch wenn LeserInnenbriefe und Artikel von Einzelpersonen oder
politischen Gruppen unterzeichnet sind.
Bei aller Kritik, der Output an Positionspapieren des
Plenum ist erstaunlich, so viel geschrieben, erklärt und zu
Diskussionsveranstaltungen eingeladen, hat in den letzten Jahren wohl kaum ein
anderes Kulturprojekt in Leipzig und Umgebung. Aber Außenwirkung wird
bekanntlich nicht nur durch Worte erzielt. Eine ebenso wichtige Rolle spielen
(neben bereits erwähnten Mythen) Erlebnisse von BesucherInnen und
NutzerInnen des Ladens. Dann werden Widersprüche spürbar. So
geschehen zuletzt bei der Übertragung der Fußball-WM, als
sämtliche Minimalstandards des Ladens plötzlich außer Kraft
gesetzt schienen, nur weil der Rubel rollte und man sich nichts mehr
zurück wünschte, als die alte deutschlandfarbenfreie Lieblingsinsel
Conne Island.
Gesellschaftliche Widersprüche auszuklammern ist sicher nicht der richtige
Weg. Für ladeninterne Widersprüche sollte dasselbe gelten. Das
schlimmste für das Conne Island sei es, in Ruhe gelassen zu werden,
schrieb ein Vertreter des Ladens einmal im CEE IEH. Bei der Diskussion dieser
Widersprüche braucht das Projekt auch weiterhin die kritische Resonanz
seiner Leute da draußen!
15jahre.conne-island.de - Broschüre zu 15 Jahre Conne Island - 9. September 2006