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Alexander Lange
Spurensuche
Die Geschichte des Eiskellers bis 1945

Was war das Conne Island vor dem Conne Island? Das 15jährige Jubiläum ist ein guter Grund, einmal in verstaubten Akten zu kramen. Das Grundstück Koburger Straße 3 hat in den letzten 100 Jahren verschiedenste Nutzungen gehabt. Dieser Beitrag beschäftigt sich neben der ursprünglichen Funktion des Eiskellers als Ausflugsgaststätte vor allem mit der bislang weitgehend unbekannten Nutzung als Heim der Hitlerjugend zwischen 1938 und 1945.

Der Eiskellerpark-Connewitz

Die Geschichte des Eiskellers als Ausflugslokal beginnt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Leipzig als Stadt endete im Süden noch vor Volkshaus und Südplatz. Bis zum Connewitzer Kreuz befanden sich auf dem Gebiet der heutigen Südvorstadt vor allem Felder und Wiesen. Connewitz war ein kleines eigenständiges Dorf, dessen ursprünglicher Kern im Umfeld der heutigen Prinz-Eugen-Straße zu finden war.
    In der Blüte der Industrialisierung suchten Sonntags die Stadtmenschen auf dem Lande nach Ruhe und Erholung (Samstag wurde noch gearbeitet). Das Dorf Connewitz mit seinen Flussläufen am Auewald war hierfür ein ideales malerisches Ausflugsziel, ebenso die Freisitze von Lokalen wie dem Eiskeller-Park.
    Das Gelände des Eiskellers war damals ähnlich dem heutigen Zustand angelegt - nur noch weitläufiger, weil die Fernverkehrsstraße, die heute das Gelände von zwei Seiten umschließt, noch nicht existierte. Südlich des Geländes schlossen sich die Apitzsch-Wiesen an.
    Im Haupthaus befand sich wie heute im Erdgeschoß eine Gaststätte; davor erstreckte sich auf dem heutigen Parkplatz bis zum Fluss ein Freisitz. Ein weiterer Freisitz an der gleichen Stelle wie heute unter großen Bäumen umfasste insgesamt 4.000 Sitzplätze. Der später errichtete große Gesellschaftssaal fasste bis zu 1.000 Menschen. Die Eingänge zum Saal befanden sich damals noch an der Südseite des Gebäudes und das Hauptgebäude war mit ihm durch einen ebenerdigen Bau verbunden, in dem sich die Abwaschküche befand.
    Um die Jahrhundertwende wuchs Connewitz wie alle anderen Leipziger Vororte schnell aus seinem dörflichen Charakter heraus und wurde schließlich 1891 ein Stadtteil des ebenfalls rasant wachsenden Leipzigs. Die dörfliche Idylle von einst war damit Geschichte und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts verloren die Connewitzer Ausflugslokale zunehmend an Attraktivität zu Gunsten weiter entfernter Wochenendziele.
    Aufgrund von Schulden, die seit 1926 bestanden und als Hypothek auf Haus und Grund umgelegt waren, musste der ursprüngliche Besitzer, Herr Friedrich Albert Rosenkranz, der seit 1888/89 Eigentümer des Eiskellers war, diesen 1934 an einen Herrn Bansmann verkaufen. Anfang der 90er Jahre gab es von Seiten der Jewish Claims Conference einen Restitutionsanspruch auf den Eiskeller, weil zu dieser Zeit noch unklar war, ob es sich bei dem Verkauf damals um eine sog. Arisierung gehandelt hatte. Dies bestätigte sich jedoch nicht.1

Der Eiskeller als Hitler-Jugend-Heim

Mitte der dreißiger Jahre wurde der Eiskeller nicht mehr als Ausflugslokal bewirtschaftet, stand einige Jahre leer und verfiel langsam. Zudem hatte der damalige Besitzer, Herr Bansmann, bei der Stadt Leipzig Mietschulden in Höhe von 1.600 Reichsmark (RM); die Zwangsversteigerung stand bevor.
    Die Hitlerjugend hatte um 1937 nicht nur im Leipziger Süden immer noch große Raumprobleme für ihre Gruppentreffen. Das Heim, welches die Connewitzer HJ seit 1936 in der Prinz-Eugen-Straße 4 benutzte, wurde zu klein. Der für Leipzig zuständige HJ-Oberbannführer Frank hatte daraufhin die Idee, das Gelände des ungenutzten Eiskellers kurzfristig als HJ-Heim umzubauen. Zu diesem Zweck beauftragte Frank den Leipziger Architekten G. Staufert, Pläne auszuarbeiten und einen Kostenvoranschlag zu erstellen.
    In einem Schreiben vom 3. November 1937 wandte sich HJ-Oberbannführer Frank mit seinem Anliegen auch an den Direktor des Leipziger Jugendamtes, den Parteigenossen Gerlach, und legte ihm seine Umbaupläne für den Eiskeller dar, vor allem: »des Gelände wegen. Die anliegende Wiese kann ausgezeichnet zu einem Sportplatz umgearbeitet werden, das Saalgebäude kann so bleiben. Die HJ hätte damit einen großen Raum für Elternabende, Feierstunden, Ortsgruppenveranstaltungen usw., der in dieser Größe erstmalig aber dringend notwendig wäre.« Die Kosten des geplanten Umbaues würden sich auf etwa 25.000 Reichsmark belaufen.
    Gerlach wird sofort aktiv und fragt beim Leipziger Grundstücksamt an. Im Falle eines Erwerbs sollte das Heim der HJ kostenlos überlassen werden, die laufenden Betriebskosten würde das Jugendamt tragen. Er bittet die Mittel zum Ausbau zu beantragen. Keine drei Wochen später ist die Stadt Leipzig nach Abschluss des bereits laufenden Zwangsversteigerungsverfahren Eigentümerin des Geländes mitsamt Gebäuden und Inventar und übergibt es dem Jugendamt. Für die Immobilie und das 2.700 Quadratmeter großen Flurstück wurden 27.000 RM bezahlt.
    Mitte November reicht Architekt Staufert einen detaillierten Kostenvoranschlag für den Umbau ein, dessen Gesamtsumme sich auf 30.000 RM beläuft. Als erstes wird die Hausmeisterwohnung im zweiten Stock des Hauptgebäudes hergerichtet, in die Anfang 1938 ein Herr Walther einzieht. Es ergibt sich ein erster Rückschlag bei den Vorbereitungen für weitere Umbauten: »Ein Luftschutzkeller kann wegen des ringsum liegenden Wassergrabens nicht ausgeführt werden.«
    Doch noch bevor der eigentliche Umbau startet, kommt es zu Verzögerungen und ersten Kommunikationsproblemen zwischen Jugendamt und dem von der HJ beauftragten Architekten. Ende August 1938 schreibt Architekt Staufert an Jugendamtsdirektor Gerlach, dass beim Abbruch »ganz wesentliche Mängel und Fehler« der Bausubstanz entdeckt wurden, die durch periodisches Steigen des Grundwassers entstanden sind. Die vorgefundenen Dach-, Mauer- und Holzschäden seien nach Information von Staufert bedeutend größer als zunächst ersichtlich. Hinzu kommt, dass die Baupolizei genehmigungsbedingte Forderungen stellt, die eine »ganz wesentliche Erhöhung der Baukosten« ergeben würden. Doch dies ist nur die halbe Wahrheit.
    Nachdem Ende 1937 die HJ so schnell das Gelände zugesprochen bekam, geistern bei Oberbannführer Frank größere Pläne für den Eiskeller durch den Kopf. Statt einer kurzfristigen Unterbringungsmöglichkeit für seine Pimpfe im Leipziger Süden, plant er nun den Umbau des Geländes in eine Wochenendschule mit HJ-Heim. Hierzu hält er jedoch keine Rücksprache mit Parteigenosse Gerlach vom Jugendamt als Geldgeber des Projektes, sondern beauftragt lediglich Architekt Staufert mit der Erarbeitung neuer Baupläne. Als im Juli Oberbürgermeister Dönnike und einige Ratsherren das Gelände besichtigen, wird von Seiten der HJ das neue Großprojekt vorgestellt, ohne dass das Jugendamt davon weiß. Dieses bekommt lediglich einige Wochen später Stauferts neuen Kostenvoranschlag - aufgrund der schlechten Bausubstanz mit einer Gesamtbausumme »bei einigermaßen guter Herstellung« von rund 86.000 RM; also dreimal so viel, wie ursprünglich geplant. Das Jugendamt ist entsetzt und lehnt die Mehrkosten ab. Fieberhaft sucht man nach dem Schuldigen. Den glaubt man wegen der gravierenden Unterschiede seiner beiden Kostenvoranschläge zunächst im Architekten Staufert gefunden zu haben. Ende 1938 ist der eigentliche Umbau des Eiskellers immer noch nicht erfolgt.
    Um die Arbeiten endlich voranzutreiben versucht Architekt Mitte Januar 1939 Druck auf das Hochbauamt auszuüben: »Das Gesuch um die Durchführung einer Wochenendschule nebst beigefügten Zeichnungen, sind bereits von der Reichsjugendführung genehmigt worden, so daß dieses Programm beibehalten werden möchte.« Im Klartext heißt das, dass die Parteigenossen von der Stadtverwaltung ohne weitere bürokratische Verzögerungen endlich genehmigen und bezahlen sollen, was sich die Hitlerjugend Neues ausgedacht hat. Das Hochbauamt erstellt daraufhin einen eigenen Kostenvoranschlag für den erweiterten Umbau und kommt auf eine Gesamtsumme von 67.000 RM - also immerhin nur doppelt so viel wie ursprünglich geplant.
    Wegen der schwebenden Vorwürfe meldet sich auch Oberbannführer Frank Ende Januar 1939 schriftlich an die Stadtverwaltung, um alle Schuld von sich zu weisen. In seinem Brief erklärt er lapidar: Wenn der Finanzausschuss wegen der Mehrkosten falsch unterrichtet worden sei, könne der HJ deswegen kein Vorwurf gemacht werden. Den Grund seiner Bauänderungen zum Wochenendheim erläutert er nicht. Er hofft dennoch auf die Absicherung des Projektes wegen der im Süden vorhandenen »Heimnot«.
    Mitte Februar 1939 prüft das Rechtsamt der Stadt Leipzig den Sachverhalt. Es kommt zu dem Schluss, dass die Stadt keinen Einfluss auf den Architekten nehmen kann, da dieser direkt von der HJ beauftragt wurde. Schwacher Trost von den Juristen: Das Jugendamt könne für die Erhöhung der Kosten nicht verantwortlich gemacht werden. Trotzdem kommt die Stadtverwaltung im vorauseilenden Gehorsam wenig später zu dem Schluss: »Es wird gar nichts anderes übrig bleiben, als den Bau nun durchzuführen.«
    Obwohl die eigentlichen Umbauarbeiten an Saal und Hauptgebäude aufgrund noch fehlender baupolizeilicher Genehmigungen auch im Sommer 1939 immer noch nicht begonnen wurden, konnten bereits ab März einige ebenerdige Holzschuppen, sogenannte frühere Kolonnaden des Eiskellers von einigen HJ-Gruppen genutzt werden.
    Im Herbst 1939 liegen nun alle notwendigen Genehmigungen vor, doch es gibt neue Probleme: Architekt Staufert, der nicht nur die Bauleitung des Eiskeller-Umbaues inne hat, sondern inzwischen auch noch Beauftragter für HJ-Heimbeschaffung, Bann Leipzig geworden ist, wendet sich einen Monat nach dem deutschen Überfall auf Polen in einem Brief an Stadtkämmerer Dr. Köhler: »Nach einer mir zugegangenen Mitteilung besteht ein Beschluß des Oberbürgermeisters der Reichsmessestadt Leipzig, keine neuen Bauaufgaben während der Kriegszeit auszuführen, sodaß auch dieser Umbau wegfallen würde.« Er bittet jedoch darum, den Umbau wegen der Raumnot der HJ im Süden und dem weiteren Verfall der Gebäude dennoch genehmigen zu lassen. Aus seinem Schreiben geht hervor, dass die HJ in Leipzig-Süd 4.500 Mitglieder haben soll.
    Bereits acht Tage später werden die kriegsbedingten Mehrkosten durch Rohstoffverteuerungen vom Hochbauamt an die Stadtkämmerei zur Genehmigung vorgelegt. Dafür hat das Objekt ein neues Problem: Der Hausmeister Walther wurde zur Wehrmacht eingezogen und niemand kann das Haus heizen.
    Im Zeitraum zwischen Herbst 1939 bis Mai 1940 begannen dann ein Teil der seit Anfang 1938 geplanten Umbaumaßnahmen. Mitte Mai 1940 stoppte das Leipziger Arbeitsamt die Arbeiten am Eiskeller, weil es sich um ein »nicht kriegswichtiges Bauvorhaben« handelte. Dennoch schaffte es Architekt und Bauleiter Staufert, dass die Arbeiten wieder aufgenommen wurden. Nach vorliegenden Bauplänen wurden im Hauptgebäude im Erdgeschoss und ersten Stock die Räume mittels Abbruch und Zwischenwände neu aufgeteilt, um insgesamt sechs sogenannte Schaar-Zimmer für die einzelnen HJ-Gruppen zu erhalten. Der Zustand der heutigen Raumaufteilung im Hauptgebäude entspricht exakt dem Umbau aus HJ-Zeiten.
    Das Saalgebäude wurde vor allem äußerlich umfassend verändert. Die Außenfassade aus dem 19. Jahrhundert wurde entfernt, die früheren Eingänge an der Südseite geschlossen, die Verbindungsbauten zum Haupthaus abgerissen. Die neue Fassade wurde schlicht verputzt; der neue Eingang befand sich nun in der Mitte an der Ostseite des Gebäudes. Die Flügeltüre wurde mit Naturstein eingefasst; über die Tür kam ein rundes Fenster. Noch heute kann man alle wesendlichen Stilelemente der von Staufert geplanten Fassade an der Ostseite des Saalgebäudes erkennen.
    Im Sommer 1941 waren die Umbauten am Hauptgebäude fertig. Zumindest die Außenfassade des Saalgebäudes, der geplanten Feierhalle, muss zu diesem Zeitpunkt ebenfalls bereits nach den Plänen von Staufert umgestaltet gewesen sein, denn es erscheint abwegig, dass erst zu DDR-Zeiten nach Bauplänen für ein HJ-Heim der Fassadenumbau realisiert wurde. Dreieinhalb Jahre hatten die Umbauarbeiten gedauert.
    Ursprünglich wollte man bereits 1939 vom zu klein gewordenen HJ-Heim, einem alten Landsitz in der Prinz-Eugen-Straße, in das neue Heim Koburger Str. 3 umziehen. Halbjährlich wurde der Mietvertrag mit den geduldigen Eigentümern verlängert. Im August 1941 sollte dann endgültig das Heim in der Prinz-Eugen-Straße gekündigt werden, doch es gab neue Probleme. Im September 1941 schreibt die HJ an das Jugendamt: »Im neuerrichteten Heim Koburger Str. 3 reichen die Räume gerade für den BDM und die Hitler-Jugend einschließlich Jungvolk muß vorläufig in der Prinz-Eugen-Str. 4 verbleiben.« Die Heimsituation der HJ im Leipziger Süden blieb bis Kriegsende ein Provisorium.
    Nachdem HJ-Oberbannführer Frank im Laufe des Jahres 1938 seine Pläne für den Eiskeller vergrößert hatte, zog diesbezüglich auch das Jugendamt nach. Mitte März 1941 informierte das Leipziger Grundstücksamt das Jugendamt, dass ihr von einer Firma die Grundstücke Koburger Str. 1, 5 und 11 zum Ankauf angeboten worden seien. Das Jugendamt zeigte daran Interesse, weil »auf dem Gelände in späteren Jahren einmal ein Hitlerjugend-Großheim für die im Süden der Stadt wohnenden Jugend errichtet werden könnte. Es wäre allerdings notwendig, dann auch noch die Grundstücke Koburger Str. 7 und 9 zu erwerben.«
    Die bekannten Akten geben keine Auskunft, wie letztlich die HJ konkret das Eiskellergelände genutzt hat. Die sich südlich anschließenden Apitzsch-Wiesen werden sicherlich für (wehr-) sportliche Betätigungen und Exerzierübungen genutzt worden sein. Außerdem standen ab Sommer 1941 im Hauptgebäude und bereits seit 1939 in den Kolonnaden mehrere Räume für die einzelnen HJ-Gruppen zur Verfügung, die für die regelmäßigen Heim-Abende genutzt wurden. Ein munteres HJ-Leben wird sich dennoch nicht auf dem Gelände entwickelt haben. Während des Krieges wurden in ganz Deutschland immer wieder die älteren HJ-Führer an die Front eingezogen, so dass es aufgrund fehlender Führer laufend zu Unterbrechungen des „HJ-Dienstbetriebes“ kam. Auch kam es in den Wintermonaten zu Dienst-Ausfällen aufgrund fehlender Heizmöglichkeiten im Zuge der Rohstoffverknappung.
    Dass das neue HJ-Heim Leipzig-Connewitz keine größere Bedeutung unter den Leipziger Jugendlichen erlangte, zeigt der Umstand, dass kein Anschlag auf das Heim durch HJ-feindliche Jugendcliquen bekannt ist. Während zum Beispiel das Hermann-Göring-Heim der Hitlerjugend nahe dem heutigen Zentralstadion noch vor der Einweihung durch Mitglieder der Meute Reeperbahn aus Lindenau entglast wurde, nahm die sich auf der damaligen Pegauer Straße (heute: Wolfgang-Heinze-Straße) vor dem Kino UT Connewitz treffende Connewitzer Meute von dem HJ-Heim im Eiskeller oder dem Heim in der Prinz-Eugen-Straße keine größere Notiz. Lieber kümmerte man sich um die NSDAP- und HJ-Schaukästen auf der damaligen Adolf-Hitler-Straße (heute: Karl-Liebknecht-Straße) oder änderte das Ortseingangsschild Leipzig - Reichsmessestadt in Leipzig - Reichsmeckerstadt.
    Als im Januar 1945 alle Leipziger HJ-Heime aufgrund fehlender Kohlen zur Beheizung geschlossen wurden, nutzten den Eiskeller zu diesem Zeitpunkt nach offiziellen Angaben nur etwa 100 HJler. Betroffen von der Schließung war auch die im Objekt untergebrachte Schulzahnklinik.
    Die bürokratischen Wirren um den Umbau des Eiskellers in ein HJ-Heim können als exemplarisch für den Kompetenzen-Wirrwarr verschiedener miteinander konkurrierender NS-Institutionen angesehen werden. In diesem Fall zog das Jugendamt den Kürzeren und degradierte sich zum Handlanger und Geldgeber der HJ. Hierbei muss man sich jedoch immer vergegenwärtigen, dass das Jugendamt zu diesem Zeitpunkt nicht weniger von Nationalsozialisten geführt wurde als die HJ. Nur konnte sich die HJ besser durchsetzen.
    Es ist nicht bekannt, ob der Eiskeller mitsamt seinen Hitler-Jungen bei der „Verteidigung“ Leipzigs gegen die vorrückenden siegreichen amerikanischen Truppen im April 1945 eine Rolle spielte. Jedenfalls endete mit dem Einmarsch der Amerikaner am 18. April die Nutzung des Eiskellers als HJ-Heim. Da die Stadt Leipzig der eigentliche Eigentümer der Immobilie war, wird diese auch schnell wieder an sie zurückgefallen sein.

Ausblick: Der Eiskeller nach 1945

Der Eiskeller wurde zu DDR-Zeiten zu einem FDJ-Jugendclubhaus und erhielt später den Namen Erich Zeigner. Erich Zeigner war SPD-Mitglied, während der NS-Zeit im Leipziger Widerstand und danach erster Nachkriegsbürgermeister Leipzigs unter sowjetischer Besatzung.
    Hier fanden nun regelmäßig Tanzveranstaltungen statt, es gab einen Freisitz, eine Open-Air-Bühne und eine Klubgaststätte. Verschiedene Pionier-Feiern wurden im Eiskeller-Saal durchgeführt und zu den späteren Discos trafen sich hier öfters Jugendliche aus dem Hooligan-Umfeld vom 1. FC Lokomotive Leipzig. Ab 1987 fanden im Eiskeller auch Konzerte mit Bands aus dem „offiziellen“ DDR-Punk- und Independent-Umfeld statt.
    Nach der Wiedervereinigung Ende 1991 bekam der Eiskeller neue Betreiber, den Projekt Verein e.V. Bereits zu DDR-Zeiten trafen sich in Leipzig unter dem Deckmantel der Kirche Jugendliche aus der Punk-, Hardcore- und Independent-Szene, welche seit Ende 1989 unter dem Gruppennamen Reaktion Veranstaltungen mit Bands in verschiedenen Leipziger Clubs durchführten. Als Gerüchten zufolge im Frühjahr 1991 die Stadt Leipzig den Eiskeller verkaufen wollte, kam es zu massiven Protesten infolge dessen der aus der Reaktions-Gruppe hervorgegangene Projekt Verein e.V. den Eiskeller übernahm2 - das Conne Island wurde geboren.

Der Autor ist Historiker aus Leipzig und arbeitet u.a. zur Geschichte der Leipziger Meuten und antifaschistischen Jugendwiderstand während des NS.

Quellenhinweise:

Pro Leipzig e.V. (Hrsg.), Connewitz. Eine städtebauliche Studie, Leipzig 1995.
Stadtarchiv Leipzig, JuA Nr. 325, Jugendheim Leipzig-Connewitz, Koburger Str. 3.

Anmerkungen

1. Anmerkung der Redaktion: Die Diskussion um den Restitutionsanspruch auf das Gelände des Conne Island verlief exemplarisch für den Umgang der bundesdeutschen Linken mit Teilen der nationalsozialistischen Nachgeschichte. Dass Arisierungen integraler Bestandteil der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik gegenüber Jüdinnen und Juden waren, wurde insbesondere im Kontext der eigenen Verstrickung gerne ausgeblendet.
So beachtlich die Entwicklung des Conne Islands und der linksradikalen Gruppierungen in Leipzig auch war, so sehr sie auch immer versuchten, mit ihrer Kritik auf der Höhe der Zeit zu sein, so skandalös ist es doch andererseits, dass die Geschichte des Ladens und der radikalen Linken in Leipzig auch die Geschichte der nicht geführten Auseinandersetzung über den erhobenen Restitutionsanspruch war. Erstmalig zum 10jährigen Jubiläum des Conne Island wurde dieser Misstand - der Restitutionsanspruch der Jewish Claims Conference wurde bis dahin nur insoweit wahrgenommen, als sich um den zukünftigen Bestand des Ladens gesorgt wurde - zumindest im Umfeld, weniger in der eigentlichen BetreiberInnencrew, ausführlich und kontrovers diskutiert.
Zur Diskussion über den Umgang mit dem Restitutionsanspruch im Conne Island vgl. CEE IEH 80 (2001), http://www.conne-island.de/nf/80/27.html.

2. Interessant ist noch folgendes: Obwohl der Eiskeller seit Mitte der dreißiger Jahre offiziell nicht mehr Eiskeller genannt wird, hat sich diese umgangssprachliche Bezeichnung 70 Jahre lang bis heute gehalten
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15jahre.conne-island.de - Broschüre zu 15 Jahre Conne Island - 9. September 2006